Automatikwerk vs. Handaufzugskaliber

Automatik vs. Handaufzug

Automatikwerk oder Handaufzug?

Das ist vor allem eine Frage der Philosophie. Beide Werke verbindet, dass sie eine ganz eigene Fühlung mit dem Träger bilden, die durch die Distanz eines Quarzwerkes (elektronisch) einfach nicht ersetzt werden kann.

Trotzdem sollten Sie zuerst verstehen, wie die einzelnen Werke funktionieren und worin sie sich unterscheiden, bevor sie sich für ein Modell entscheiden.

Was ist ein Automatikwerk und was macht dieses aus?

Vereinfacht gesprochen, übersetzt ein Automatikwerk die kinetische Energie, die Sie durch das Bewegen Ihres Armes erzeugen, in potentielle Energie, die die Zugfeder spannt und damit die Uhr antreibt. Eine Automatikuhr zieht sich also – wie der Name schon sagt – automatisch auf, anstatt, dass sie alle 40-48 Stunden erneut aufgezogen werden muss. Bewegen Sie Ihren Arm, versucht sich der kugelgelagerte Rotor innerhalb der Uhr an dem Erdmittelpunkt zu orientieren.

Automatik

Die dadurch entstehende Bewegungsenergie gibt eine Getriebekette an die Zugfeder weiter. Wenn Ihre Uhr einen Sichtboden hat, können Sie den halbkreisförmigen Rotor auch direkt bei der Arbeit betrachten. Sie werden dabei sehen, dass sich der Rotor sehr schnell dreht, was bei direkter Übertragung die Feder stark abnutzen würde. Dies verhindert das Reduktionsgetriebe, das die schnellen Bewegungen des Rotors mit niedrigen Drehmomenten in langsame Bewegungen mit hohen Drehmomenten verwandelt.

Bei Vollaufzug sind ein Überdrehen und ein vermeintlicher Defekt der Zugfeder nicht möglich. Dies wird durch die sogenannte „Schleppfeder“, welche bei Vollaufzug an der Federhauswandung durchrutscht, verhindert.

Es gibt viele Feinheiten, die in die Wahl des Automatikwerks einfließen, aber eine der Grunddiskussionen handelte über die Benutzung eines einseitigen oder beidseitigen Aufzugs. Automatikuhren mit beidseitigem Aufzug verfügen über ein Wechselgetriebe, das die Rotorbewegungen gleich richtet, was bedeutet, dass die Energie unabhängig von der Drehrichtung erzeugt wird. Das berühmteste Werk mit einseitigem Aufzug ist das Valjoux 7750, das alle Zweifler in den Schatten stellen konnte und zeigte, dass sich auch ein einseitiger Aufzug in Sachen Leistung und Präzision mit einem beidseitigen Aufzug locker messen kann. Nun zu den Handaufzugskaliber!

Was bedeutet Handaufzug?

Der Handaufzug bezieht, wie der Name bereits sagt, seine Energie aus dem täglichen manuellen Aufziehen und verfügt über keinen Rotor. Im Gegenzug zur Automatikuhr besitzt eine Handaufzugsuhr allerdings auch keine „Schleppfeder“, weswegen man beim Aufziehen mit ein wenig Fingerspitzengefühl vorgehen muss, wenn man sein Werk nicht beschädigen möchte. Sobald man einen leichten Widerstand spürt ist die Uhr vollständig aufgezogen und man sollte stoppen.

Der interne Ablauf verläuft dabei wie folgt:

  • Ziehen Sie die Uhr auf, wird die aufgewandte Kraft zunächst ebenfalls in der Zugfeder gespeichert.
  • Von dort wird sie durch das Räderwerk an das Hemmungsrad weitergeleitet.
  • Der Anker verbindet das Hemmungsrad mit der schwingenden Unruh, an die die nun durch die Hemmung dosierte Kraft weitergegeben wird.
  • Die Schwingung des Schwingsystems bestimmt durch seine Frequenz den Ablauf des Räderwerks wodurch eine Einteilung in Stunde, Minute und Sekunde über das Zeigerwerk erfolgt.

Dass die Uhr dennoch ein paar Sekunden falsch gehen kann, liegt daran, dass mechanische Uhren sehr sensibel auf ihre Umgebung reagieren. Temperaturschwankungen, Luftdruck und Magnetismus können dazu führen, dass sich Feder und Unruh ausdehnen und dadurch die Frequenz verändert wird. Selbstverständlich sollten Sie Ihre Uhr vor Stößen und anderen Schäden schützen.

Pro & Kontra von Automatik- und Handaufzugskalibern

Automatikkaliber

  • automatisches Aufziehen durch Rotor
  • automatischer Aufzug sorgt für höhere Ganggenauigkeit
  • höherer Aufbau (da für die Automatik mehr Teile wie z.B. Räderwerk, Schwungmasse verbaut wurden)
  • weist höhere Reparaturkosten auf als ein Handaufzugskaliber

Handaufzugskaliber

  • für Liebhaber täglicher Rituale
  • flacherer Aufbau für (vintage-feeling)
  • weniger Teile = kostengünstiger und wartungsfreundlicher
  • sind robuster als Automatikkaliber
  • kein automatischer Aufzug (Handaufzugskaliber müssen alle 40 – 48 Stunden erneut aufgezogen werden, daher ein höherer Verschleiß)

*Anzeige

Wie die Kraft einer Zugfeder in der Uhr kompensiert wird

Federkraftkurve Diagramm

Wir beginnen mal bei der Zugfeder

Wenn sich die Zugfeder entspannt, treibt sie das Räderwerk an. Die Feder muss immer wieder zwischen Spannen und Entspannen wechseln.

Dies gelingt 10.000- bis 15.000-mal beinahe ohne Verschleiß. Somit ist die Zugfeder ein unglaublich guter, fast beliebig wieder aufladbarer Energiespeicher.

Antrieb durch eine Zugfeder

Die Zugfedern bei Großuhren und einfachen Kleinuhren bestehen aus wärme-behandeltem Stahl. Nachteil dieses Materials ist die begrenzte Lebensdauer, da diese Federn nach langer Benutzung brechen können. Bei hochwertigen modernen Armbanduhren werden fast ausschließlich Federn aus höchst komplizierten Legierungen verwendet, die weniger leicht brechen und außerdem rostfrei sind.
Diese Art von Zugfeder nennt sich Nivaflex.

Beim mechanischen Antrieb mit Zugfeder gibt es zwei beliebte Systeme:
Antrieb mit offener Zugfeder & Antrieb mit umlaufendem Federhaus

Das Federhaus ist ein Bauteil, dass man in vielen Großuhren leicht erkennen kann: (ein großer Messingzylinder, der an einer Stirnfläche verzahnt ist).

Federhaus-Grossuhren

In diesem Zylinder ist die Zugfeder spiralförmig aufgewickelt. Die Verzahnung des Federhauses stellt das erste Zahnrad der Uhr dar. Im Gegensatz dazu steht die offene Feder, die in den meisten Weckern und einigen sehr billigen großen Federzuguhren verwendet wird.

In einer solchen Uhr ist die Spiralfeder offen eingebaut und als aufgewickeltes Stahlband im Uhrwerk zu erkennen. Alle Armband- und Taschenuhren und alle besseren Großuhren verwenden das umlaufende Federhaus. In diesem Fall wird die Zugfeder von der Achse des Federhauses aus (am inneren Ende der Feder) aufgezogen, die Kraftabgabe erfolgt am äußeren Ende der Feder, die am Federhaus eingehängt ist. Das Federhaus dreht sich also während die Uhr abläuft (daher der Name umlaufendes Federhaus).

Die Achse des Federhauses wird durch die Kraft der Feder zurückgetrieben (entgegen der Kraft des Aufziehenden). Man benötigt also noch ein Sperrrad (Klinkenrad), das eine Bewegung entgegen der Kraft der Feder erlaubt, aber nach dem Aufziehen die Achse des Federhauses gegen das Werkgestell abstützt. Das Klinkenrad ist also durch einen Vierkant kraftschlüssig mit der Achse verbunden, während die Klinke am Werkgestell befestigt ist.

Bei der offenen Feder erfolgt An – und Abtrieb der Feder am inneren Ende der Feder. Das äußere Ende der Feder ist am Werksgestell eingehängt, und ist damit fest. Das erste Zahnrad der Uhr, das von der Feder angetrieben wird besteht damit aus zwei Teilen: dem eigentlichen Zahnrad und dem Klinkenrad, an dem die Feder befestigt ist. Beim Aufziehen wird das Klinkenrad bewegt, während das Zahnrad in diesem Moment von der Kraft der Feder befreit ist.

Die beiden Systeme haben folgende Vor- und Nachteile:

  • Das umlaufende Federhaus erlaubt einen besseren und gleichmäßigeren Ablauf der Feder
  • Die Feder ist vor Umwelteinflüssen geschützt, ebenso ist das Uhrwerk bei einem eventuellen Federbruch vor der Feder geschützt, der Hauptvorteil ist dass der Antrieb der Uhr während des Aufzugs nicht unterbrochen wird.
  • Die offene Zugfeder bietet nur den Vorteil, billiger zu sein.

Als Zwischenform gibt es das feststehende Federhaus, bei dem die offene Zugfeder von einem Federhaus, das fest mit der Werksplatte verbunden ist, umgeben ist. Dieses System ist etwas einfacher als das umlaufende Federhaus und bietet die gleichen Schutzfunktionen von Feder und Werk. Es wurde allerdings nur sehr selten verwendet. Die Unterbrechung des Antriebes während des Aufzugs lässt sich leicht feststellen: wenn man an einem gewöhnlichen Wecker leicht am Aufzugschlüssel dreht, wird das Ticken langsam leiser, nach einigen Sekunden hört es ganz auf. Bei einer Armbanduhr wird die Uhr immer weiterlaufen.

*Anzeige

Vor- und Nachteile des Federantriebes:

  • Vorteil des Federantriebes gegenüber dem Gewichtsantrieb ist die Möglichkeit kleine und tragbare Uhren zu bauen, da ein Gewichtsantrieb eine Bewegung der Uhr natürlich nicht zulässt.
  • Der große Nachteil des Federantriebes ist die Veränderlichkeit des Antriebes während des Ablaufes. Eine Feder hat, wenn sie voll gespannt ist, wesentlich mehr Kraft, als wenn sie fast abgelaufen ist.
  • Da alle Schwingungssysteme in mechanischen Uhren nicht ganz unabhängig von der antreibenden Kraft sind, führt dies zu einem ungleichmäßigen Gang der Uhr.
Zugfeder & Federhaus
Automatik Zugfeder in Federhaus eines ETA Kalibers

Heute sind Zugfedern nahezu bruchfest

Da Zugfedern weder ermüden, verbiegen, knicken noch abbrechen sollten und zudem Korrosion und Magnetismus trotzen sollen, spielen zeitgemäße Werkstoffe eine Rolle. Seit etwa 1965 haben struktur- und kaltgewalzte Legierungen die anfälligen Federspeicher aus Kohlenstoffstahl abgelöst. Bei ihnen treten die erwähnten Schwierigkeiten nur noch selten auf; etwa dann, wenn extrem ungünstige Temperatur-, Konstruktions- und Umgebungseinflüsse zusammenkommen.

Und damit zu Nivaflex

Nivaflex ist eine ausgehärtete Speziallegierung auf Kobaltbasis. Der Werkstoff besteht zudem aus Eisen, Nickel, Chrom, Beryllium, Molybdän, Titan und Wolfram. Er ist dehnbar und weist eine hohe Korrosionsbeständigkeit auf.

Das Material ist also rostfrei, anti-magnetisch, zudem hoch-elastisch und damit optimal, daraus (beinahe unkaputtbare/bruchsichere) Federn in den kleinsten Dimensionen herzustellen, weshalb Nivaflex seit 1948 für Trieb und Druckfedern in der Uhrenbranche eingesetzt wird.

Federkraftkurve Diagramm

Im Bild sehen Sie den Verlauf einer Federkraftkurve einer „normalen“ Feder. Ganz am Anfang steigt die Federkraft recht steil an und wird dann ziemlich konstant größer. Kurz bevor die Feder ganz gespannt ist, steigt die Kurve noch einmal steil an. Dieses „natürliche“ Verhalten einer Zugfeder verhindert den präzisen Gang einer Uhr.

Es ist sicher einleuchtend, dass eine Unruh, angetrieben von einer nur leicht aufgezogenen Feder viel geringer ausschwingt, als wenn sie mit aufgezogener Feder angetrieben wird! Interessant dabei ist, dass – rein theoretisch – eine Unruhe mit geringer Schwingungsweite genau so lange für eine Schwingung braucht, wie bei einer großen Schwingungsweite.

Ähnlich ist es übrigens auch beim Pendel. Die Pendellinse eines nur leicht angestoßenen Pendels braucht – theoretisch – genau so lange bis sie wieder zum Ausgangspunkt zurückkehrt, als wenn diese stark angestoßen wird. Diese Eigenschaft eines schwingenden Körpers nennt man Isochronismus! Ein wichtiges Wort in der Ausbildung eines Uhrmachers:

Isochronismus ist die Schwingungsdauer bei unterschiedlicher Amplitude (Schwingungsweite).

Und nur mal um zu sehen wie weit die Erfindung der Feder wirklich zurückreicht

Schon der ägyptische Pharao Tutanchamun erfand komplexere Formen der Blattfeder für seine Streitwagen. Die Blattfedern erhöhten den Fahrkomfort und gleichzeitig die Lebensdauer der Wagen.

Die ersten richtige Federn gab es so um etwa 1493.

Sie waren zunächst von Hand geschmiedet, später aus Draht gewalzt, spiralförmig aufgerollt und zuletzt in der Esse angelassen, was sie zwar härter, aber auch instabiler gemacht hat. Das Brechen der Feder galt daher jahrhundertelang als eine der häufigsten Pannen bei der Taschen- und später auch bei der Armbanduhr.

loader-image